Seemannstreffen Güstrow

Seeleutetreffen Güstrow


49.Güstrower Klönsnack

Der Klönsnack stand unter dem Motto: „ Kommen, Zuhören, Ansehen, Beurteilen und Meinungen austauschen“. Als Referenten waren geladen: Kapitän L. Nehmer und Kapitän a.D. P .Jungnickel.

Kpt. NehmerErsterer berichtete über seinen Werdegang bei der DSR und nach der Wende bei anderen Reedereien. Er entstammt einer Seefahrerfamilie, denn sein Großvater und Vater waren anerkannte Kapitäne bei der DSR und Deutfracht. Sein erster Reeder nach dem Schulbesuch war Briese und er fuhr als Alleinsteuermann. Im Jahre 1995 wechselt er zur Reederei von Klaus-Peter Offen und stieg die Erfolgsleiter hinauf. Im Jahre 2005 wurde er zum Kapitän befördert. Es war die Zeit der Schiffbauschwemme. Reeder Offen stellte jeden Monat 2 neue Schiffe in Dienst und so brauchte er viel Führungspersonal. So konnte man in jungen Jahren Kapitän werden. Siehe auch die DSR (1967-1970), als diese ständig neue Schiffe in Dienst stellte, aber nicht genügend Offiziere hatte. Hier war der jüngste Kapitän 27 Jahre alt.

Auch berichtete er, wie sich die Seefahrt im Lauf der Jahre immer mehr veränderte. So wurde die Bordsprache ab 1998 (Einführung des ISM-Code) in englisch geführt. Die Zahl der ausländischen Offiziere nahm immer mehr zu. In dieser Zeit wurde oftmals noch mit eigenen Geschirr gelöscht und geladen. Die Häfen wurden nach und nach mit Gantrys ausgerüstet und somit konnten die eigenen Kräne entfallen. Auch für die Nautiker änderte sich vieles. Während noch mit eigenem Geschirr gelöscht wurde, konnten sie noch öfter an Land gehen. Mit den Gantrys wurde ein anderes Tempo beim Laden und Löschen an den Tag gelegt und mit dem Landgang sah es schlechter aus. Die Containerhäfen wurden weit vor dem eigentlichen Hafen an künstliche Inseln oder Piers gebaut. Zuerst gab es eine Vielzahl von Firmen, die Gantrys herstellten. Später übernahm die Firma ZPMC die Fertigung von Gantrys und verkaufte sie in aller Welt. Hier sollte man besonders auf das Wachstum in den Chinesischen Häfen Acht geben.

Der 11.09.2001 veränderte noch einmal alles, denn jetzt wurden Gangwaywachen eingeführt und der Zugang zu den Häfen drastisch erschwert. Für die Philippinos wurde eine Kontopflicht eingeführt und so wussten die Frauen, was ihre Männer wirklich verdienten.

In den Boomzeiten (2008) wurden immer mehr ausländische Offiziere und längere Fahrtzeiten eingeführt. Auch die Abwerbung von Personal erfuhr einen neuen Höhepunkt, so gingen die Offiziere oftmals von einer Reederei zur nächsten, je nachdem wo es mehr Geld und Urlaub gab. Nach der Pleite von Lehmann Brothers ging vieles den Bach herunter. Auflieger mit Minimalbesatzung, Stopp bei der Beförderung, Austausch der deutschen Offiziere (Deck/Maschine) durch polnische, ukrainische, russische und philippinische Offiziere. Die Ausbildung in Deutschland wurde stark zurück gefahren. Es wurde auf den Philippinen eine neue Ausbildungsstätte gebaut und in Betrieb genommen.
Die Schiffe unter deutscher Flagge wurden immer weniger, trotz aller Zusagen durch die Regierung. Heute gehören ca. 1800 Schiffe zur deutschen Flotte. Unter deutscher Flagge fahren nur noch ca. 275 Schiffe. Die einzige Ausnahme bildet Hapag-Lloyd. Philippinos warten ca. 1. Jahr auf einen neuen Kontrakt.

Derzeit sieht die Zusammensetzung der Besatzungen etwa so aus:

  • Deutsche Flagge: Kpt. und Chief deutsch, ansonsten Philippinos oder Ukrainer, Ausbildung der Philippinos gut, die der neuen Ukrainer schlechter.

  • Liberianische Flagge: Polen, Ukrainer, Auslandsdeutsche müssen unter deutscher Flagge fahren.

  • International: Chinesen fahren Chinesen, zunehmend indische Offiziere, Burmesen, Bangla-Deshi

Überall auf der Welt sind neue Containerhäfen entstanden und weitere werden in Dienst genommen und alle werden mit großen Schiffen befahren, Probleme haben die USA und Deutschland.

Durch die technische Entwicklung ist jeder mit seinem eigenen Fernseher unterwegs und somit finden an Bord kaum gemeinsame Veranstaltungen statt. Trotzdem versucht Kpt. Nehmer, Barabende, Grillfeste und Geburtstagsfeiern zu organisieren, leider kein Skat oder Würfelabende, da jeweils der 3. Mann fehlt.
Landgang fast überall möglich, trotz der entlegenen Lage der Terminals. Hilfe leisten die Seemannsmissionen. Die Agenturen sind keine Hilfe bei den Landgängen.

Fazit: Die Aussichten für deutsche Reedereien und Seeleute sind im Moment schlecht.

 

Jungnickel

Der Vortrag von P. Jungnickel zeigte deutlich, wie gefährlich es ist, wenn ein Schiff brennt. Hier ist es für den Seemann schwer sich vor dem Feuer zu schützen,  da er die Flammenwand nicht durchdringen kann. Auch sind die Rettungsmittel und die Feuerlöscheinrichtung oftmals nicht an die Größe der Schiffe angepasst. Hier muss eine Änderung der Anlagen her, um das Feuer von oben löschen zu können. Gleichzeitig müssen größere Lenz-und Ballastpumpen eingebaut werden, damit die Stabilität des Schiffes immer gewährleistet ist. Bei einem der letzten Großbränden auf einen Autotransporter, sind acht Mann aus einer Höhe von 30 m ins Meer gesprungen, um ihr Leben zu retten. Sieben konnten gerettet werden und leider hat es einer nicht geschafft.
Auf diesem Gebiet stehen heute noch viele Aufgaben vor uns, um die Schiffe sicherer zu machen. An den Ursachen von Bränden an Bord kann die Besatzung wenig ändern, wenn die Ursache nicht in Fahrlässigkeit besteht. An der Containerbeladung oder den Batterien der Autos kann die Besatzung nichts ändern. Alle noch so gut gemeinten Vorschläge gehen oftmals an der Realität vorbei.
Der vorletzte Klönsnack war wieder ein Erfolg und es konnten viele neue Gedanken mit nach Hause genommen werden.

 

Zum nächsten Klönsnack, im Frühjahr 2024, wird es Einladungen geben.

Kurt-Werner Langer


DSR-Seeleute,  30.10.2022